Jovana Reisinger – Enjoy Schatz
Jovana Reisinger – Enjoy Schatz

Jovana Reisinger – Enjoy Schatz

„Immer wieder diese elendige Abhängigkeit vom Wohlwollen der Männer.“

CW: sexuelle Gewalt

Jovana Reisinger legt mit ihrem Essayband, der mit „Dokumente[n] einer Trennung. Dokumente[n] eines Neuanfangs“ durch die Jahreszeiten führt, einen Text über die Ambivalenzen der Weiblichkeit vor.

„Ist eine Single-Frau nur dann eine gute Erzählung, wenn ihr Zustand selbstbestimmt und emanzipiert ist, ohne Zweifel und ohne Sehnsucht?“ – Reisinger zeigt in fünf miteinander verbundenen Essays, wie gut die Erzählung einer Single-Frau sein kann, gerade weil sie Zweifel und Sehnsüchte offen bekennt. Lust und Begehren werden zwischen Feminismus, Beziehungsentwürfen und den eigenen Hoffnungen austariert. Scham, als Motivator für performativen Reichtum oder als entscheidender Faktor dafür, sich zu sexuellen Zugeständnissen drängen zu lassen, wird schonungslos verhandelt. Inhaltlich sind all diese Reflektionen an die Trennung einer Ehe gebunden und auch hier hinterfragt Reisinger: „Kapitalisierung der gescheiterten Ehe, des eigenen Lebens – darf sie das? Völlige Selbstausbeutung oder Selbstermächtigung?“ Auch wenn nicht alle Ausführungen zu einer perfekten Lösung on how to succeed as a woman im Leben und der Liebe auf dem Silbertablett führen, schafft die Autorin mit dem Teilen von Erfahrungen und dem Aufdecken von Mechanismen Raum für die Lesenden sich im Erzählten wiederzufinden.

„[…] der [Mann] kommt wahrscheinlich nie wieder zurück und sie, sie ist trotzdem die Coolste von allen.“

Gekonnt changiert Reisinger in der Erzählung zwischen ihr, der Autorin, und der Protagonistin, einer Schriftstellerin. Der Wechsel ist teilweise fliegend und in der Erinnerung an das Gelesene lässt sich manchmal nicht mehr klar zuordnen, was welcher Perspektive entstammt. Dieses bewusste Verflechten der beiden Perspektiven bringt die Kritik, dass „Schriftstellerinnen […] sowieso mit ihren Figuren verwechselt [werden]“ souverän zum Ausdruck. Reisinger rechnet außerdem damit ab, wie schreibende Frauen noch immer behandelt werden – auch innerhalb einer vermeintlich woken Literaturszene. Ja, die Ästhetik gehört bei Reisinger zum Wiedererkennungsmerkmal, aber primär zelebriert sie den Look des puderrosa Glamours, weil er ihr gefällt. Folglich ist er den Werken nicht voranzustellen und hat keinerlei Aussagekraft über den Gehalt der Literatur. Für Letzteren sorgt die Autorin ganz allein und das mit Bravour, denn die Sprache ist der eigentliche Star in Enjoy Schatz. Reisinger bedient sich eines Stils, der mitunter von Kürze lebt, damit aber an Prägnanz und Einprägsamkeit gewinnt; locker lässig auf den ersten Blick daherkommt und auf den zweiten offenbart, wie gekonnt Reisinger auf diese Weise Stimmungen einfängt und deutlicher wiedergibt als dadurch, diese langatmig auszudifferenzieren. Die Analysen finden trotzdem statt – genauso intelligent, aber in einem Ton, den man leicht versteht, in dem man sich wiederfindet, und mit Sätzen, die man sich sofort markiert, um noch einmal zu ihnen zurückzukehren.

von Michaela Minder

Jovana Reisinger
Enjoy Schatz
Korbinian 2022
160 Seiten
20,00 Euro

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